Anderswohnen im Schwalbennest
Pionierstrasse, Düsseldorf-Friedrichstadt
Schwalbennest
Vorgefunden wurde ein leerstehendes Werkstattgebäude von 1896 in einem Hinterhof, zentral gelegen in der Innenstadt Düsseldorfs, fünf Gehminuten vom Hauptbahnhof und der Königsallee entfernt. Durch die Entwurfsidee des aufgehängten „Schwalbennestes“ - Schaffung eines eigenen Gegenübers - wurde die Teilung des Grundstücks vom Vorderhaus, die Umnutzung zu Wohnzwecken und die Wiederherstellung der ehemaligen Baumasse baurechtlich möglich gemacht. Eine verglaste Brücke verbindet die Aufstockung mit dem neuen Anbau an der bestehenden Grenzwand im Obergeschoss. Aus einer reinen Ostlage wurde eine 360°-rundum-Lage mit Blickbeziehungen in alle Richtungen. Das unterkellerte eingeschossige Gebäude wurde entkernt, trockengelegt, abgedichtet, umgebaut, wärmegedämmt und aufgestockt. Die Hofüberdachungen aus den 1970er Jahren und die Hälfte der Pflasterfläche des Hofes wurden zu Gunsten eines kleinen Gartens entfernt. Somit konnte ein Einfamilienhaus mitten in der Stadt entstehen: das Schwalbennest, ruhige und geschützte Hinterhoflage, eben „anderswohneninderstadt“.
Im Erdgeschoss ist das Wohnen, Kochen und Essen großflächig angeordnet, mit direkter Anbindung über eine große Glasschiebetür zum Garten und zur überdachten Terrasse mit Sommerküche unterhalb des „Schwalbennestes“. Die Treppe ins Ober- und Untergeschoss wurde zentral gegenüber den 2 Eingangstüren angeordnet, um eine zukünftige Abtrennung eines ca. 50 qm großen Appartements mit eigenem Bad zu ermöglichen. Somit kann das Gebäude auf veränderte Lebens- und Wohnsituationen, wie z. B. Mehrgenerationenwohnen oder Reduktion reagieren. Auf ein Gästebad wurde im Erdgeschoss verzichtet, es ist im Untergeschoss angeordnet. Dort befinden sich auch ein zusätzliches Zimmer (Gäste-, Hobbyraum) und der große Wirtschafts- und Lagerbereich. Der Erhalt der bestehenden Kappendecke, der Einsatz von „rohen“ Materialien, wie der Estrichboden, freigelegte Mauerwerkswände, Sichtbeton- und Stahltreppe sowie die Raumhöhe von bis zu 3,20 m unterstützen den loftartigen Charakter im Erdgeschoss.
Im neu aufgebauten Obergeschoss befinden sich die privaten, ca. 3,15 m hohen Rückzugs-bereiche für die Eltern und die 2 Kinder, beide jeweils ca. 50 qm groß, mit raumhohen Türen und eigenem Bad sowie das „Schwalbennest“, das als Arbeitszimmer, Bibliothek, Atelier oder als zusätzlicher Wohnraum genutzt werden kann. Alle „freien“ Außenwände sind mit einer Pfosten-Riegel-Fassade zwischen Fußboden und Decke raumhoch verglast und mit schmalen Fenstertüren oder großen Schiebetüren ausgestattet. Die hinteren Raumzonen sind über große Dachflächenfenster ebenfalls natürlich belichtet und belüftet. Aufgrund der guten Lüftungsmöglichkeiten mit der kühlen Gartenluft wurde bewusst auf einen Sonnenschutz verzichtet, er kann jedoch problemlos in Form von elektrischen Rollos auf der Ost-, Süd- und Westseite nachgerüstet werden. Die Böden sind mit robustem Industrieparkett aus geräucherter Eiche, das Kinderbad mit braunem Keramik- und das Elternbad mit silbergrauem Glasmosaik belegt. Alte, rotbunte Mauerwerkwände kontrastieren mit glatten, weißen Wänden und den Glasfassaden.
Die Aufstockung ist in einer Stahl-Holz-Konstruktion auf den bestehenden Mauerwerksbau erstellt. Die Verbindungsbrücke mit dem „Schwalbennest“ spannt sich zwischen der Fassade des Hauptbaus und der gegenüberliegenden Brandwand. Dies ermöglichte den Verzicht diverser Stützen im Garten- und Terrassenbereich. Die begrünte Dachfläche bietet die Möglichkeit einer zukünftigen solaren Energiegewinnung und auch die zusätzliche Errichtung einer nach Westen orientierten Dachterrasse auf dem „Schwalbennest“.
Die wärmegedämmte Putzfassade verbindet in der Außenansicht den alten Bestand mit der neuen Aufstockung zu einer Einheit. Einzig die Lochfenster mit ihren tiefen Leibungen im Erdgeschoss lassen im Gegensatz zu der großflächigen, putzbündigen Glasfassade des Obergeschosses den ehemaligen Vorgängerbau erahnen.
Das Haus und der Hof sind bewusst zurückhaltend gestaltet: mittelgrauer Dämmputz, schwarze Deckleisten der oberen Verglasung, eichenholzfarbene Öffnungselemente und Fenster, verzinkte Dachkanten und Regenrohre, Gartenkanten und Stufen in Sichtbeton, Pflanzfeldeinfassungen und Pflanzkübel aus Bauholz, altes gebrauchtes Basaltpflaster. Der schnelle, kurze Blick von der Straße durch die Toreinfahrt des Vorderhauses zeigt nur einen kleinen Teil des Hauses und verrät nicht zuviel vom neuen Leben im Hinterhof.
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